Heike Duda, Hospiz-Pflegekraft: „Ich habe die Welt nicht mehr verstanden“

Pflegekräfte verlieren auch selbst geliebte Menschen und trauern um sie. Doch sogar in einem Hospiz gibt es für ihre private Trauer weder Zeit noch Raum. Heike Duda aus Essen, die seit 25 Jahren Sterbende begleitet, hat es hautnah erlebt

Pressemeldung der Firma Trost-Helden GmbH
"Ich war wie erstarrt": Heike Duda aus Essen ist examinierte Altenpflegerin und Pflegefachkraft für Palliativpflege. Die 54-Jährige ist seit 35 Jahren im Beruf. Ihre letzte Stelle in einem Hospiz hat sie verloren, weil sie ihre Mutter auf dem letzten Weg ihres Lebens begleiten wollte


Die persönliche Trauer von Heike Duda war schlichtweg tabu an ihrem Arbeitsplatz im Hospiz. Dabei betrifft Trauer jeden Menschen – egal, welcher Berufsgruppe er oder sie angehört. Als Heike Dudas todkranke Mutter ihre Hilfe braucht, schaltet ihr Arbeitgeber komplett auf stur, verweigert jede Unterstützung und setzt sie zusätzlich noch unter Druck.

Die 54-Jährige soll volle Schichten im Hospiz arbeiten – mit einer todkranken Mutter zuhause. Wie ist diese Doppelbelastung auszuhalten? Ein tiefer, persönlicher Einblick in die Arbeit der Pflegefachkraft für Palliativpflege Heike Duda. Ein Gesprächsprotokoll.  

Mama, das ist möglich!

Ich habe meine über 80 Jahre alte Mutter fünf Jahre lang unterstützt, zunächst nur durch Hilfe beim Einkaufen oder Fahrten zum Arzt. Als es ihr schlechter ging, war es ihr größter Wunsch, zuhause zu sterben. Ich habe gesagt: Mama, das ist möglich. Ich weiß ja, was auf mich zukommt.

Die Situation wurde immer schlimmer

Aber im letzten Jahr wurde die Situation aufgrund der Situation am Arbeitsplatz immer schlimmer. Mein Arbeitgeber hatte keinerlei Verständnis für mich. In einem Hospiz! Bei unserer Arbeit ist gerade die Liebe zum Menschen so wichtig. Dass wir offen sind, dass wir die Ängste und Sorgen der sterbenden Menschen wahrnehmen, damit sie sich gesehen und gehört fühlen. Unsere Aufgabe ist es, sie mit all unseren Kräften zu begleiten. Wenn wir sie gut begleiten, dann gibt das uns Pflegekräften auch selbst Kraft. Dann macht die Arbeit stets Freude und Spaß.

Das Treffen mit den Vorgesetzten ist sehr heftig geworden

Als ich mich deutlich mehr um meine Mutter kümmern musste, habe ich das Gespräch mit meinen Vorgesetzten gesucht. Ich wollte Pflegezeit beantragen. Das steht jedem Mitarbeiter gesetzlich zu. Man benötigt nicht einmal eine Genehmigung des Arbeitgebers: Die rechtzeitige Ankündigung reicht aus.

Das Treffen mit den Vorgesetzten ist sehr, sehr heftig geworden. Ich war allein. Sie waren zu dritt: Geschäftsführung, Heimleitung und meine Pflegedienstleitung. Ich habe acht Jahre in dem Hospiz gearbeitet, nicht einen Tag gefehlt. Meine Vorgesetzten haben mir ganz klar gesagt, ich könne die Pflegezeit nicht nehmen, das sei unmöglich. Wenn ich ginge, gingen die Kollegen auf dem Zahnfleisch. Der Ton war rau.

Sie schicken mich in die Vollzeit-Nachtwache, mit einer todkranken Mutter zuhause

Ich habe in die Runde geguckt. Ich war innerlich wie erstarrt. Und dachte, ich hätte nicht richtig gehört. Ich wollte keinen Urlaub nehmen. Ich wollte eine Pflegezeit für meine schwerkranke Mutter nehmen, die in ihre letzte Lebensphase eintritt. Wenn eine Hospizleitung nicht weiß, was das bedeutet, wer sollte es dann wissen? Stattdessen schickt sie mich in die Vollzeit-Nachtwache mit einer todkranken Mutter zuhause. Den anderen Kollegen würde es schließlich auch so gehen, lautete die Begründung …

Ich habe die Welt nicht mehr verstanden

Ich habe das Gespräch abgebrochen. Ich wusste: Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Das ist heute der letzte Arbeitstag hier. Und ich habe meine Mutter begleitet. Sie ist zuhause gestorben, in ihrem eigenen Bett. Ich habe den Prozess so natürlich wie möglich laufen gelassen und sie so behandelt, wie sie es brauchte. Meine Mutter hatte die letzten drei Tage ihres Lebens ein Lächeln auf ihrem Gesicht – bis in den Tod. Sie war 86 und sah 20 Jahre jünger aus.

Was für ein Traum, so zu sterben!

Ich habe alle Fenster aufgerissen, es war ein sonniger Tag. Ich habe meine Mutter aufgebahrt. Habe überall Blumen hingestellt, das Radio angemacht und getanzt. Es herrschte eine sehr besondere Atmosphäre in dem Raum. Selbst meine Brüder sagten, als sie kamen: Was ist denn mit dem Raum los? Es ist, als ob er voller Liebe wäre. Alles war in dem Moment stimmig. Wie kann man so viel Glück im Leben haben?

Eine unglaubliche Belastung

Wie ich emotional mit dieser unglaublichen Belastung umgegangen bin, mit der sehr ernüchternden Situation am Arbeitsplatz und den Herausforderungen zuhause? Ich bin ein Naturmensch. Ich bin viel im Wald spazieren gegangen. Ich habe mit Kollegen und Freunden gesprochen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich eigenartig drauf bin. Ich bin da nicht rausgekommen. Ich war gelähmt, antriebslos, wie in einem Kokon.

Die Suche nach Hilfe

Es hat lange gedauert, bis ich gemerkt habe: Das ist meine Trauer. Und dass, obwohl ich seit 25 Jahren in der Hospizarbeit tätig bin. Ich habe Unterstützung gesucht. Habe mich nach einer Trauergruppe umgeschaut, doch die Gruppen waren voll. Ich habe 30 Therapeuten angerufen. Aber an eine individuelle Betreuung war gar nicht zu denken. Wartezeit: 1,5 Jahre. Ich habe es zunächst aufgegeben … Später habe ich dann einen Trauerbegleiter gefunden, der mir sehr geholfen hat.

Bei TrostHelden sind ja schon Leute, die zu mir passen

Und ich habe einen Bericht über TrostHelden gelesen. Ich dachte: Das ist genial! Da sind ja schon Leute, die zu mir passen. Da musste ich Mitglied werden. Seither bin ich total begeistert. Ich habe vier Trauerfreunde. Das ist ein wirklich sehr guter, hilfreicher Austausch.

TrostHelden war das Einzige, was mir in der schweren Zeit ohne großen Aufwand, ohne Rechtfertigung, ohne Suchen schnurstracks entgegenkam. Ich habe sofort die passenden Leute gefunden. Was sie mir geschrieben haben, war so, als ob es von mir stammen würde. Ich kann TrostHelden nur weiterempfehlen.

Die Entscheidung

Der Entschluss, nicht mehr in diesem Hospiz zu arbeiten, war richtig. Denn ich hatte Herz-Rhythmus-Störungen bekommen – und durch den ganzen Stress eine deutliche Sehfeldeinschränkung, so dass ich auf einem halben Auge nichts mehr sehe. Leider ist das nicht mehr rückgängig zu machen. Diese gesundheitlichen Auswirkungen hängen ganz klar mit dem Ärger mit dem Arbeitgeber zusammen.

Was sich für Pflegende im Hospiz ändern muss

Was muss sich ändern, damit auch Pflegekräfte in einem Hospiz Zeit und Raum für die eigene Trauerarbeit haben? Ich wünsche mir, dass man sich nicht rechtfertigen muss am eigenen Arbeitsplatz, wenn man sich für seine eigene Mutter entscheidet. Ich wünsche mir Verständnis, Offenheit, Unterstützung von den Kollegen und der Leitung.

Dadurch würde viel Druck genommen. In der obersten Etage sitzen zum Teil Geschäftsleute, die sind wichtig. Aber oft kommen auf diese Leitungsstellen Menschen, wo gar nicht überprüft wird, ob sie geeignet sind, ein Hospiz zu führen. Wir als Pflegekräfte müssen uns hingegen regelmäßig einer Pflegevisite stellen. Dann wird geprüft, ob ich einem Menschen richtig die Ohren waschen kann, nach 35 Jahren Berufserfahrung …

Das Menschliche als Leitgedanke

Das Menschliche sollte der Leitgedanke in jeder dieser Einrichtungen sein. Dass Mitarbeitern eines Hospizes keine Zeit für die eigene Trauer gegeben wird, ist ein Widerspruch, den es nicht geben darf. Es kann nicht sein, dass wir in der Pflege hautnah an Leben und Tod anderer Menschen sind und für die eigene belastende Situation kein Platz ist. Das Personal muss gesund bleiben! Und es muss kreativ bleiben. Für die Menschen, die zu uns ins Hospiz kommen.

Kreativität im Hospiz?

Patienten liegen nachts oft wach, aus Angst im Schlaf zu sterben. Um Patienten gerade diese Angst zu nehmen, wickele ich manchmal leuchtende Girlanden um das Bett, wenn sie das möchten. Manchmal hilft ihnen das. Und wenn ein Patient noch einmal Gras unter seinen Füßen spüren möchte, dann sage ich schon mal zu meinem Nachbarn: Ich brauche dein schönstes Stückchen Rasen mit einem Gänseblümchen drauf, in einer Kiste. Wenn der Patient dann am nächsten Tag das Gras unter seinen Füßen spürt, geschieht etwas so Schönes.

Lebendig sein im Sterben

Der sterbenskranke Mann sagte zu mir: „Ich hätte nie gedacht, dass man sich für einen kurzen Moment so lebendig fühlen kann.“ Am Ende ist er sehr ruhig gestorben. Es sind diese Begegnungen, die uns Hospiz-Pflegekräften guttun. Von diesen Begegnungen leben wir, da tanken wir auf. Das sind die Augenblicke, in denen wir näher am Leben dran sind als am Tod. Ja, es kostet alles Energie.

Aber das ist es, wofür wir da sind. Und das will und werde ich mir bewahren. Ich folge dem Motto aus dem „Kleinen Prinzen“: Was du dir vertraut gemacht hast, dafür bist du verantwortlich.

Heike Duda hat nach dem enttäuschenden Gespräch mit ihren Vorgesetzten schließlich die Einrichtung gewechselt. Sie arbeitet mittlerweile auf einer Dreiviertelstelle. Sie treibt Sport und tut all die anderen Dinge für sich, die sie schon immer tun wollte.

Das Gespräch führte Kirsten Lehmkuhl von trosthelden.de



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TrostHelden bietet einen weltweit einzigartigen Ansatz in der Trauerhilfe. Die Trauerfreund-Vermittlung TrostHelden bringt Trauernde mit einem ähnlichen Schicksalsschlag und ähnlichen Lebensumständen zusammen. Möglich wird das durch ein spezielles Computerprogramm, das TrostHelden zusammen mit Experten aus Trauerhilfe, Hospizbewegung, Psychologie und digitalem Matching entwickelt hat. Der Algorithmus macht es möglich, dass sich Trauernde finden, die perfekt zueinander passen und tiefes Verständnis füreinander haben. Die persönlichen Trauerfreunde unterstützen, trösten und helfen sich gegenseitig. TrostHelden ist eine Online-Hilfe zur Selbsthilfe, mit der trauernde Menschen gemeinsam einen neuen, heilsamen Weg aus ihrer Trauer beschreiten.


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