Neue Studien: Verschluss eines offenen Foramen ovale am Herzen keine Standardtherapie

Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK)

Pressemeldung der Firma Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V.

Jeder vierte Mensch in Deutschland hat ein offenes Foramen ovale (PFO), also ein kleines Loch zwischen den beiden Herzvorhöfen. Das PFO steht bei Erwachsenen im Verdacht, einen Schlaganfall zu begünstigen. Eine aktuelle Studie bestätigt nun frühere Untersuchungen, dass bei Patienten mit Foramen ovale, die bereits einen Schlaganfall erlitten hatten, der Verschluss des PFO mit einem „Schirmchen“ (Amplatzer-Okkluder) nicht vor einem weiteren lebensgefährlichen Schlaganfall schützt. In einer zweiten Studie war der PFO-Verschluss allerdings in einer Untergruppe der medikamentösen Therapie leicht überlegen. Aufgrund dieser beiden aktuellen Arbeiten raten die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) weiterhin zum zurückhaltenden Einsatz eines PFO-Verschlusses mittels Schirmchen, zumal beide Studien zeigen, dass das Risiko eines erneuten Schlaganfalls mit 1,3 Prozent pro Jahr sehr gering ist.

Ein offenes oder persistierendes Foramen ovale (kurz PFO) ist ein Öffnung in der Vorhof-Trennwand des Herzens zwischen dem rechten und dem linken Vorhof und ein Relikt aus der vorgeburtlichen Phase. Das ungeborene Kind erhält den Sauerstoff über die Nabelschnur. Da die Lunge noch nicht arbeitet, wird das sauerstoffreiche Blut aus der Nabelschnur durch das PFO von der rechten auf die linke Herzseite geführt und gelangt von dort weiter in den Körperkreislauf. Diese Verbindung über das PFO verschließt sich nach der Geburt meistens spontan, bleibt jedoch bei jedem vierten Menschen dauerhaft offen. „Normalerweise stellt ein PFO keine Beeinträchtigung für die Gesundheit dar“, sagt Professor Dr. med. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und 1. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. Zur Gefahr werde es jedoch, wenn sich in den Beinvenen Thromben bilden. „Unter bestimmten Voraussetzungen können die Gerinnsel durch das PFO gelangen und über die Schlagadern ins Gehirn gespült werden“, erläutert Professor Endres. „Wenn sie im Gehirn eine wichtige Arterie verstopfen, kommt es zum Schlaganfall. Vor allem bei jungen Schlaganfall-Patienten findet sich häufig als alleinige mögliche Schlaganfallursache ein PFO“, betont der Experte aus Berlin.

Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit, ein PFO über einen relativ gefahrlosen Katheter-Eingriff in örtlicher Betäubung zu verschließen. Dabei wird ein kleiner Schirm im PFO platziert, der das Loch verschließt. „Die Behandlung wird bereits an vielen Herz-Zentren angeboten“, berichtet Professor Dr. med. Martin Grond, 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Kreisklinikum Siegen: „Bislang konnten die vorliegenden Studienergebnisse aber nicht bestätigen, dass sich durch den Verschluss des offenen Foramen ovale tatsächlich weniger Schlaganfälle ereigneten.“

Zwei große internationale Studien verglichen nun den Verschluss eines PFO mittels eines Schirmchens (Amplatzer-Okkluder, St. Jude) mit einer medikamentösen Behandlung durch blutverdünnende oder blutplättchenhemmende Medikamente. An der „RESPECT“-Studie nahmen 980 Patienten aus Nordamerika teil. Der „PC Trial“, der an 28 Zentren in Europa (mit deutscher Beteiligung), Kanada, Brasilien und Australien durchgeführt wurde, hatte insgesamt 414 Teilnehmer. Behandelt wurden Patienten mit einem PFO, die vor dem 60. Lebensjahr bereits einen Schlaganfall erlitten hatten, für den keine andere Erklärung gefunden wurde. In beiden Studien wurden die Patienten per Los entweder auf den Verschluss mittels Schirmchen oder auf eine medikamentöse Therapie verteilt. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) Professor Dr. med. Christian W. Hamm, Bad Nauheim/Gießen, kommentiert: „In beiden Studien war die Ereignisrate bei Patienten, welche ein Schirmchen eingesetzt bekommen hatten, niedriger. Während in der RESPECT-Studie diese Reduktion statistisch bewiesen werden konnte, war dies im PC Trial nicht der Fall. Gerade Patienten mit einer Aussackung der Vorhofwand (Vorhofseptumaneurysma) haben deutlich von dem Verschluss über die Katheter-Technik profitiert. Ein solches Vorhofseptumaneurysma ist bereits lange als Risikofaktor in Kombination mit einem PFO bekannt. Ein Nachteil der aktuellen Studien ist, dass lediglich ein Viertel (PC Trial) beziehungsweise ein Drittel (RESPECT) der in die Studien eingeschlossenen Patienten ein solches Aneurysma aufwiesen.“

„Da die Zahl der erneuten Schlaganfälle in den beiden Vergleichsgruppen der aktuellen Studien jedoch sehr gering war (nur 1,3 Prozent pro Jahr im PC Trial) und eine weitere große Studie, die CLOSURE-I-Studie, die letztes Jahr veröffentlicht wurde, ebenfalls zu einem neutralen Ergebnis kam, ist die Aussagekraft der positiven RESPECT-Studie begrenzt“, urteilt Professor Grond und bilanziert: „Die beiden Studien haben gezeigt, dass das Risiko eines Rezidivschlaganfalls gering ist und daher nur bei ausgewählten jungen Patienten ohne anderweitige Risikofaktoren für einen Schlaganfall ein PFO-Verschluss in Erwägung gezogen werden sollte.“

Literatur

Carroll JD, Saver JL, Thaler DE, Smalling RW, Berry S, MacDonald LA, Marks DS, Tirschwell DL; RESPECT Investigators. Closure of patent foramen ovale versus medical therapy after cryptogenic stroke. N Engl J Med. 2013; 368: 1092-100.

Meier B, Kalesan B, Mattle HP, Khattab AA, Hildick-Smith D, Dudek D, Andersen G, Ibrahim R, Schuler G, Walton AS, Wahl A, Windecker S, Jüni P; PC Trial Investigators. Percutaneous closure of patent foramen ovale in cryptogenic embolism. N Engl J Med. 2013; 368: 1083-91.

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